Physiotherapeutische Schmerztherapie

Symptome analysieren, Ursachen verstehen

Schmerz ist ein zentrales Thema in der physiotherapeutischen Praxis. Er schränkt Bewegungen ein, kann sehr quälend sein und die Lebensqualität erheblich beeinflussen. Wie Menschen Schmerz wahrnehmen und verarbeiten wird durch viele Faktoren beeinflusst. Deshalb kommt es bei der Behandlung darauf an, die spezifischen Symptome und Lebensumstände genau zu analysieren, um die Ursachen für den Schmerz zu verstehen. Das ist die Grundlage für unsere Therapie.

Schmerz lindern

Auf Sie individuell abgestimmte Techniken

In die konkrete Behandlung unserer Patienten fließen individuell abgestimmt Techniken aus verschiedenen Bereichen ein. Unter anderem arbeiten wir hier mit Myofascial-Release, Manueller Therapie, Bewegungsanalyse, Entspannung, Aktivierung und der Regulation des vegetativen Nervensystems.

Entspannung verschaffen

Was ist überhaupt Schmerz?

Wir alle kennen Schmerz. Trotzdem ist es sehr schwierig Schmerz zu beschreiben. Die International Association for Study of Pain (IASP, Internationale Gesellschaft zur Erforschung des Schmerzes) definiert Schmerz frei übersetzt als

„ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verbunden ist oder in Bezug auf solche Schäden beschrieben wird.“

Unterschiedliches Schmerzempfinden

Aber trifft das wirklich zu? Nicht jeder Mensch nimmt Schmerz gleichermaßen wahr und nicht Jeder würde ihn zwingend als „unangenehm“ beschreiben. Manche Menschen empfinden bestimmte Schmerzen sogar als angenehm.

Auch die Grenze dessen, was überhaupt als Schmerz empfunden wird, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Dies erleben wir im Umgang mit unseren Patienten sehr häufig. So empfindet der eine beispielsweise die Druckintensität eines Massagegriffs noch als angenehm, während der andere die gleiche Druckintensität bereits als sehr schmerzhaft erlebt.

Und auch das Schmerzempfinden ein und desselben Menschen variiert. Etwas, das heute als schmerzhaft empfunden wird, kann sich für dieselbe Person an einem anderen Tag oder in einer anderen Situation vielleicht ganz anders anfühlen. Wenn Sie sich selbst zum Beispiel morgens den Zeh am Bettpfosten stoßen, werden Sie dies an einem Tag, an dem Sie einen Marathonlauf geplant haben, viel schlimmer bewerten als an einem gewöhnlichen Tag. Ihr Gehirn wird die Verletzung als viel größere Bedrohung einstufen und sehr wahrscheinlich werden Sie den Schmerz in ihrem Zeh an diesem Tag viel intensiver erleben.

Schmerz ist also mehr als Ursache und Wirkung. Er ist sehr komplex und von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Um diese Zusammenhänge noch besser zu verstehen, hilft es sich anzuschauen, wie Schmerz überhaupt entsteht.

Wie entsteht Schmerz?

Neurologische Grundlagen von Schmerz

Fast in allen Geweben unseres Körpers gibt es Sensoren, die Nozizeption messen. Das Wort „Nozizeption“ kommt aus dem lateinischen (nocere=schädigen) und bezeichnet die Wahrnehmung schädigender Reize. Diese Sensoren, auch Nozisensoren genannt, befinden sich in der Zellmembran bestimmter Nervenzellen und reagieren auf mechanische Reize, Temperaturunterschiede oder chemische Reize.

Trifft ein solcher Reiz ein, öffnen sich die Sensoren und es strömen Ionen (elektrisch geladene Teilchen) ins Zellinnere. Je länger die Sensoren geöffnet bleiben bzw. je mehr Sensoren geöffnet sind, desto mehr positiv geladene Ionen fließen hinein. Sobald in der Zelle ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird, wird ein elektrischer Impuls ausgelöst und an das Rückenmark weitergeleitet. Dieser Impuls ist also quasi eine „Gefahrenbotschaft“ der Nervenzelle. Für unseren Körper bedeutet dies, dass die Information über einen eintreffenden Reiz erst dann an unser Rückenmark weitergeleitet wird, wenn er so groß ist, dass er zur möglichen Gefahr für unser Gewebe wird. Schmerz verspüren wir zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht. Die Information ist jetzt zwar in unserem Rückenmark angekommen, unser Gehirn hat davon aber noch keine Kenntnis.

Schmerz entsteht im Gehirn

Im Rückenmark laufen „Gefahrenbotschaften“ aus vielen verschiedenen Geweben zusammen und treffen dort gemeinsam auf eine weitere Nervenzelle. Diese verändert durch die Botschaften ebenfalls ihren Spannungszustand und sobald die Menge der ankommenden „Gefahrenbotschaften“ im Rückenmark groß genug ist, wird auch hier ein elektrischer Impuls ausgelöst und die Informationen darüber an das Gehirn weitergeleitet. Unser Gehirn registriert nun die Botschaft „Gefahr“.

Gleichzeitig treffen viele weitere sensorische und emotionale Signale ein, die das Gehirn verarbeiten muss, um zu entscheiden, welches die angemessene Reaktion auf diese Botschaft ist. Kommt es zu dem Schluss, dass wir etwas gegen die Gefahr unternehmen sollten, wird es Schmerzen produzieren und uns so auf die Bedrohung aufmerksam machen. Über eine absteigende Nervenbahn, die vom Gehirn zum Rückenmark führt, kann die Weiterleitung der Gefahrenbotschaften aber auch gehemmt werden. Dabei wird die Erregbarkeit der zweiten Nervenzelle durch die Ausschüttung bestimmter chemischer Botenstoffe (z.B. körpereigener Endorphine) herabgesetzt und die Auslösung des Impulses zum Weitertransport der Gefahrenbotschaften somit erschwert. Dies kann dann sinnvoll sein, wenn wir uns zwar in Gefahr befinden (weil wir uns beispielsweise bei einem Unfall oder in einem sportlichen Wettkampf verletzt haben), unser Gehirn aber beschließt, dass es für uns momentan besser ist, keine Schmerzen zu spüren (weil wir den Wettkampf erst gewinnen wollen oder uns am Unfallort erst einmal in Sicherheit bringen müssen). Schmerz entsteht also in unserem Gehirn.

An der Wahrnehmung und dem Erleben von Schmerzen sind im Gehirn viele verschiedene Zentren und Strukturen beteiligt. Dabei gleicht jedoch kein Gehirn dem anderen. Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen, prägen zum Beispiel die Art und Weise, auf die sich die Nervenzellen in unserem Gehirn miteinander verbinden. Und so individuell wie unsere Gehirne, ist auch jede Schmerzerfahrung. Und selbst die Schmerzerfahrung eines jeden Einzelnen wird je nach Situation eine andere sein. Denn wie wir Schmerz wahrnehmen hängt nicht nur von unseren persönlichen Erfahrungen ab, sondern wird auch durch unsere Kultur, unsere Psyche und unser soziales Umfeld beeinflusst.

Wozu dient der Schmerz?

Schmerz dient also zunächst einmal als Alarmsignal und ist somit eigentlich etwas Gutes, denn er zwingt uns zum Handeln und dazu, unseren Körper vor potentiellen oder bereits eingetretenen Gefahren zu schützen.

Wenn unser Gehirn entschieden hat, dass wir uns in Gefahr befinden, wird es uns aber nicht nur durch Schmerzproduktion darauf aufmerksam machen, sondern zeitgleich weitere Systeme aktivieren, um uns in die bestmögliche Lage zu bringen, der Gefahr zu begegnen. Von zentraler Bedeutung sind hier das vegetatives Nervensystem und das Hormonsystem.

Schmerzen und das vegetative Nervensystem

Das vegetative Nervensystem wird auch autonomes Nervensystem genannt, denn es reguliert innerkörperliche Vorgänge „autonom“, also ohne dass wir diese willentlich steuern. Es reguliert zum Beispiel die Atmung, den Herzschlag, die Durchblutung, die Verdauung, den Stoffwechsel etc. Es besteht aus zwei Anteilen. Dem Sympathicus und dem Parasympathicus. Während der Sympathicus hauptsächlich leistungsfördernd wirkt, dient der Parasympathicus vorwiegend der Erholung und der Regeneration. Er aktiviert beispielsweise die Verdauung, den Wiederaufbau von Zellen, senkt die Herz- und Atemfrequenz und fördert den Aufbau körpereigener Reserven.

Bei einer Schmerzerfahrung ist vor allem der Sympathicus aktiv und sorgt für eine vermehrte Ausschüttung von Adrenalin. Parallel wird vom hormonellen System vermehrt Cortisol produziert. Diese Hormone bewirken zum Beispiel eine erhöhte Durchblutung und Spannung der Muskulatur, eine Beschleunigung der Atem- und Herzfrequenz, eine Weitung der Pupillen etc. Sie aktivieren also alle Systeme, die uns bei „Kampf oder Flucht“ helfen können. Gleichzeitig werden die Systeme, welche für die akute Abwehr der Bedrohung nicht benötigt werden, runtergefahren. Beispielsweise die Verdauung und die Immunaktivität.

Idealerweise hält dieser Zustand der „Alarmbereitschaft“ so lange an, bis die akute Gefahr vorüber ist. Danach kann der Körper die Systeme wieder runterfahren und sich der Erholung und der Regeneration widmen. Und normalerweise verschwindet auch der Schmerz, wenn der Heilungsprozess abgeschlossen und die Bedrohung des Gewebes vorüber ist.

Warum bleiben Schmerzen manchmal bestehen?

Manchmal bleibt der Schmerz ...

Manchmal bleibt der Schmerz aber trotzdem weiter bestehen. Wie kann es dazu kommen? Wenn wir Schmerzen haben und unsere Systeme in Alarmbereitschaft sind, erhöht sich auch die Empfindlichkeit der Nervenzellen im Gewebe und im Rückenmark. Dies geschieht, damit keine Information aus dem verletzten Gebiet verloren geht und das Gehirn noch effektiver über schädigende Reize informiert wird. Halten Schmerzen über einen längeren Zeitraum an, kann es passieren, dass sich die Struktur und Funktion der Nervenzellen dauerhaft verändert. Die Nervenzellen beginnen noch mehr „Gefahrensensoren“ zu bilden mit der Folge, dass nun bereits schwache Reize ausreichen, um Gefahrenbotschaften an unser Gehirn zu senden. Wenn das Gehirn dann fälschlicherweise zu dem Schluss kommt, dass eine Bedrohung vorliegt, kann es Schmerzen produzieren obwohl die ursprüngliche Ursache des Schmerzes längst behoben ist.

Und auch im Gehirn selber können anhaltende Schmerzen dazu führen, dass die Zentren, die an der Schmerzentstehung beteiligt sind, vermehrt Sensoren bilden. Das heißt, unser Gehirn reagiert nun ebenfalls schneller und empfindlicher auf Reize.

Ein weitere Aspekt bei der Entstehung anhaltender Schmerzen ist die damit einhergehende dauerhafte Aktivierung des Sympathicus. Sie führt dazu, dass die Adrenalin- und Cortisolwerte in unserem Körper anhaltend erhöht sind und unsere Systeme dadurch permanent auf Hochtouren laufen. Dies kann zu einer Überforderung der Systeme und einer verminderten Regenerationsfähigkeit führen. Die dauerhafte Aktivierung unseres „Alarmsystems“ sorgt beispielsweise für eine permanente Erhöhung der Spannung in unseren Muskeln und Faszien, was die Entstehung von Schmerzen zusätzlich fördert.

Da unser „Alarmsystem“ nicht nur auf körperliche Gefahren sondern auch auf emotionalen Stress reagiert, tragen Ängste und Sorgen, welche häufig mit lang anhaltenden Schmerzen verbunden sind, ebenfalls zum Erhalt der Schmerzen bei.

Wie kann die physiotherapeutische Schmerztherapie bei anhaltenden Schmerzen helfen?

Es gilt also den Teufelskreis aus Schmerz, Stress und noch mehr Schmerz zu durchbrechen. Die physiotherapeutische Schmerztherapie bietet uns die Möglichkeit, das Schmerzgeschehen auf all seinen Ebenen zu beeinflussen. Dazu wenden wir folgende Methoden an:

Aufklärung/Analyse der Schmerzen

Da Schmerzen häufig auch mit Ängsten verbunden sind, ist es sehr wichtig, das Schmerzgeschehen möglichst gut zu verstehen. Denn je mehr Sie über Ihre Schmerzen wissen, umso weniger bedrohlich werden Sie Ihnen erscheinen. Allein schon das Wissen, dass große Schmerzen nicht zwingend bedeuten müssen, dass auch ein entsprechend großer Gewebeschaden vorliegt, kann Ängste verringern. Vielleicht werden Sie sich durch Ihr Wissen auch wieder trauen, bisher geschonte Strukturen zu belasten und sich wieder freier zu bewegen. In der Therapie gehen wir mit Ihnen gemeinsam den Ursachen Ihrer Schmerzen auf den Grund, erklären Ihnen die möglichen Zusammenhänge und beantworten Ihre individuellen Fragen.

Regulation des vegetativen Nervensystems

Mit Hilfe verschiedener Techniken können wir ausgleichend auf das vegetative Nervensystem einwirken. Wir können den Parasympathicus (N. Vagus) anregen und die   Aktivität des Sympathicus dämpfen. Die erhöhte Sympathicusaktivität ist, wie oben beschrieben, mit erhöhten Adrenalin- und Cortisolwerten verbunden. Im Gegensatz zum Adrenalin, welches nach Stressreaktionen in der Regel relativ schnell wieder abgebaut wird, verbleibt Cortisol lange im Körper. Lang anhaltend erhöhte Werte können negative Folgen für den gesamten Körper mit sich bringen und zum Beispiel zu erhöhtem Blutdruck, Herzerkrankungen, Schlafstörungen, Übergewicht, verlangsamten Heilungsprozessen und Konzentrationsstörungen führen. In unsere Therapie fließen sowohl passive als auch aktive Techniken ein. Darüber hinaus geben wir Ihnen Anleitung zur Selbstregulation (siehe auch Vagus-Therapie).

Beheben von Funktionsstörungen auf lokaler Ebene

Schmerzen führen häufig dazu, dass wir uns weniger bewegen, um die betroffenen Strukturen zu schonen. Dies kann im akuten Schmerzgeschehen sinnvoll sein, führt aber besonders bei lang anhaltenden Schmerzen häufig zu weiteren Problemen: Überlastete Muskeln verspannen sich, zu wenig genutzte Muskeln werden schwach, Faszien entwässern, verkürzen oder verkleben. All das führt häufig zu noch mehr Schmerzen und dazu, dass wir uns noch schlechter bewegen können.

Diesen Teufelskreis durchbrechen wir in der physiotherapeutischen Schmerztherapie mit Techniken aus verschiedenen Bereichen: Funktionsstörungen im Fasziensystem behandeln wir mit Hilfe der Myofascial-Release-Therapie (siehe auch Faszientherapie), muskulären Verspannungen und Funktionsstörungen in den Gelenken wirken wir mit Manueller Therapie und Massagetechniken entgegen und mit Hilfe krankengymnastischer Übungen kräftigen wir geschwächte Muskeln. Durch die individuelle Kombination dieser Techniken können wir Schmerzen lindern, Schonhaltungen überwinden und ein muskuläres Gleichgewicht wiederherstellen. Neu erlernte Bewegungsmuster ersetzen alte Gewohnheiten und werden in den Alltag integriert.

Wichtig für die Gesundheit ist eine Balance zwischen Anspannen und Entspannen. Mit unserer Arbeit begleiten wir Sie dabei, diese Balance zu finden und zu erhalten.

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